DIE FLASCHEN klirrten leise, als ich sie zum gefühlt vierzigsten Mal neu arrangierte. Ich bekam es einfach nicht hin. Ich wusste nicht, warum. Normalerweise hatte ich dieses Problem nicht, aber heute konnte ich scheinbar nicht geradeaus schauen. Alles sah verkorkst aus. Die Flüssigkeit sah unter den Bühnenscheinwerfern nicht wie Likör aus und die Stielgläser hatten Flecken, obwohl einer meiner Helfer sie poliert hatte. Zweimal.
Die leise Stimme überrollte mich, jagte Gänsehaut über meine Arme und ließ andere Körperteile zucken. Die Härchen in meinem Nacken begannen zu kitzeln und ich drehte mich um. „Bist du jetzt Requisiteur, David?“
Der Mann, der mich angesprochen hatte, lächelte und ich hatte Mühe, ein Stöhnen zu unterdrücken, als er eine Hand in die vordere Tasche seiner sehr kurz abgeschnittenen Jeans steckte. Sein nordirischer Akzent unterschied ihn von allen anderen hier und kroch über meine Haut wie die herausfordernde Berührung eines Liebhabers. Er machte mich wahnsinnig.
Ich lehnte mich an, sodass mein Hintern auf der wackligen Theke ruhte, von der ich gerade versuchte, sie nach einem irischen Pub aus den Fünfzigern aussehen zu lassen. Zumindest konnte ich in der Position die wachsende Beule in meinen Jeans tarnen.
„Ich hänge nur rum und langweile mich.“
„Das ist ein gewerkschaftlich geregelter Job.“
Er nickte und kletterte auf die Tonbühne. Die abgeschnittenen Jeans rutschten an seinen muskulösen Oberschenkeln hoch und enthüllten ein Stück verfärbter Haut, vielleicht ein Überbleibsel eines seiner Rugby Spiele. Die Fransen mischten sich mit seiner dunklen Behaarung.
Ich schluckte hart.
„Ach pfeif auf gewerkschaftlich geregelt“, sagte er und begann meine Flaschen neu zu ordnen. Um das zu tun, musste er sich auf die Zehenspitzen stellen – er war fast einen Kopf kleiner als ich – und sich nahe zu mir beugen, denn der Platz hinter der falschen Bar war eng. Er versperrte mir mit seinem drahtigen Körper den Ausgang aus meiner Ecke. „Außerdem hinkt alles hinter dem Zeitplan her“, fuhr er fort. „Und Ricky flippt gerade aus. Und wenn er ausflippt, dann bekommt mein Arsch etwas mehr Work-out, als er braucht, weißt du?“
„Ricky.“ Ricky flippte immer wegen irgendwas aus. Er war der Manager des Senders und, meiner Meinung nach, für den Job viel zu neurotisch. Aber ich war nur ein Set Designer und sehr wenig von dem, was hier abging, fand meine Zustimmung. Jedenfalls bewirkte der Hinweis, dass dieser äußerst heiße, kokette Junge meinen Boss vögelte – oder eher, wenn man Richard Cornwall kannte, von ihm gevögelt wurde - dass meine Erektion sich sehr rasch wieder verflüchtigte.
„Hat er dich geschickt, um nach mir zu sehen?“ Ich traute dem gerissenen Kerl durchaus zu, dass er sein Spielzeug ausschicken würde, um ihm von den Vorgängen zu berichten. Richard war kein angenehmer Vorgesetzter. Ich konnte mir nicht vorstellen, womit er Davids Aufmerksamkeit verdient hatte.
„Nein, er hat mich geschickt, um etwas zu finden.“ David zuckte mit den Schultern, was sein Tank Top anhob und schlanke Hüften und eine weitere, frischere Abschürfung entblößte.
Ich war stark versucht, mit den Fingerspitzen über die Verletzung zu streichen, als könnte ich sie irgendwie lindern.
„Und außerdem wollte er mich wahrscheinlich aus dem Weg haben“, sagte David. Er runzelte leicht die Stirn, als er sich wieder auf beide Füße stellte und sich zu mir drehte. Er schob schmollend die Unterlippe vor, was in mir den dringenden Wunsch weckte, an ihr zu saugen. Seine Körperwärme strahlte bis zu mir aus, zusammen mit dem Geruch von Sex, Sägemehl und Farbe. Der Duft eines anderen Mannes an ihm hätte mich nicht antörnen sollen. Ich war nur einfach so hinüber und hatte das Gefühl, dass ich umkippen würde, wenn ich noch länger die Luft anhielt.
„‘Tschuldigung.“ Ich schob mich so an ihm vorbei, dass er ohne Zweifel wissen musste, dass ich absolut schamlos war, falls er das je bezweifelt hatte. Ich sprang von der Bühne und drehte mich nicht um, als ich ihn kichern hörte.
Ich ging zu Richards Büro. Wenn ich wusste, wonach David suchen sollte, konnte ich ihm vielleicht helfen, es zu finden. Irgendeine verdrehte Logik sagte mir, dass er dann genug Abstand hätte – von mir und meiner unterentwickelten Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen. Gleichzeitig hoffte ich, dass er in meiner Nähe bleiben würde, während wir suchten. Normalerweise überließ ich das Denken nicht meinem Schwanz. Normalerweise war ich aber auch nicht mit willigen, ganz und gar fickbaren Typen konfrontiert, die einen Körper wie David hatten und die nur nach einem Vorwand suchten, ihren aktuellen, übellaunigen Lover zu vergraulen. Ich machte mir keinerlei Illusionen, dass er wirklich mich wollte. Ich war nur aufgeschlossen, schwul und Single. Das machte mich brauchbar.
Ich klopfte an Richards Tür und trat ein. „Hey.“
„Hast du ihn gefunden?“ Richard drehte sich nicht um. Er durchwühlte sein eigenes Büro und suchte offenbar hektisch nach irgendwas. Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nein.“
„Geh und such im Umkleideraum. Wir haben ihn dort benutzt. Du hast gesagt, du wolltest ihn reinigen und dann zurückbringen. Ich schwöre dir, David, wenn jemand ihn findet, dann hältst du Schlampe besser deinen Mund.“
Ich grunzte und versuchte, meine Meinung zu diesem Kommentar für mich zu behalten. Dieser Arsch wusste in keinster Weise zu schätzen, was er hatte.
„Ich weiß, ich weiß. Es ist nur ein Dildo. Aber es könnte mich meinen Job kosten, wenn jemand davon wüsste, was wir so treiben. Davon abgesehen, sind Kleeblätter einfach peinlich. Keine Ahnung, warum du so ein kitschiges Teil in dir haben willst.“ Er war nun praktisch zur Hälfte in dem Stauraum unter dem Fenster verschwunden. Ich wollte nicht wissen, was für Zubehör er dort herausholen würde. Noch wollte ich mich der Versuchung aussetzen, ihn ganz hineinzuschieben und die verdammte Abdeckung zuzumachen. Von seiner Geringschätzung gegenüber dem Mann, mit dem er angeblich in einer Beziehung war, wurde mir schlecht.
Ich drehte mich wortlos um und da sah ich ihn. Ganz offen auf einem Bücherregal hinter der Tür. Ein langer, biegsamer Gummidildo mit Kleeblättern, die von grünem Flitter umrahmt waren. Unglaublich. Ich nahm ihn und ging hinaus. Ein kleiner Umweg zum Pausenraum, wo ich meine Tasche aufbewahrte und ich deponierte das Spielzeug an einem Ort, an dem es niemandem schaden konnte. Ich kehrte zu meiner Aufgabe zurück und hatte meinen Zorn über Richards völlige Missachtung seines Lovers fast unter Kontrolle. Und dieser Zorn stammte keinesfalls von meiner Überzeugung, dass ich David so behandeln würde, wie er es verdiente. Und kein Teil davon hätte auch nur im Entferntesten damit zu tun, ihn eine Schlampe zu nennen.
David war noch immer am Set, holte Gegenstände aus Kisten und bestückte die Regale hinter der falschen Bar mit gestapelten Bierdeckeln aus Pappe und glänzenden Cocktailmixern. Ich schloss mich ihm an und schob Weingläser in die Fächer über der Bar, nachdem er sie poliert hatte.
„Ich hatte den Eindruck, dass sie ein paar Flecken haben.“
Ich kicherte, dankbar, dass es nicht nur mir aufgefallen war. „Du weißt, dass du das nicht tun musst“, sagte ich.
„Ich weiß.“ Er lächelte und zeigte seine perfekten Zähne. „Aber es macht mehr Spaß, Ricky in dem Glauben zu lassen, dass ich tue, was er mir aufgetragen hat, als es tatsächlich zu tun.“
„Magst du ihn überhaupt?“
David zuckte mit den Schultern. „Rugby ist ein gutes Spiel. Kann man allerdings nicht ewig machen.“
„Und bringt dir verdammt viele Schrammen ein“, murmelte ich und strich mit der Fingerspitze über eine weitere verfärbte Stelle auf seinem Oberarm.
Er zwinkerte mir zu. „Das tut es.“ Ich nahm das Zwinkern als Hinweis, dass vielleicht nicht an allen Blessuren die Rugby Spiele schuld waren. „Deckt aber nicht so viele Rechnungen.“
„Und Ricky tut das?“
„Indirekt.“ Er stellte das letzte Glas auf die Bar und drehte sich zu mir. „Irritiert dich das? Zu wissen, dass ich mich von ihm vögeln lasse und dass er mich in noble Restaurants einlädt?“
„Ist ja nicht mein Arsch, den er fickt“, versuchte ich mich diplomatisch rauszureden.
Ich kämpfte seit Monaten mit dieser Frage. Seit er eines Nachts zum ersten Mal aus Richards Büro getrippelt war, als alle längst hätten weg sein sollen. Ich hatte einer Wohnungskulisse den letzten Schliff verliehen und hatte beobachtet, wie er aus dem Büro und über den Flur Richtung Herrentoilette gehuscht war. Er hatte seine Shorts in der Hand getragen und ausgesehen, als wäre er ziemlich hart rangenommen worden. Aber er hatte ein Grinsen im Gesicht gehabt und über seine Schulter etwas gesagt, das offenbar ein Scherz war. Das hatte mir damals Hoffnung gegeben, dass es vielleicht endlich jemanden geben könnte, der Richards scharfe Ecken und Kanten etwas abschliff.
Wir waren beide naiv gewesen, das zu glauben. Ich hatte angefangen, Tränen zu sehen, wo Richards scharfe Kanten ihre Spuren auf David hinterlassen hatten und es gefiel mir nicht.
David nickte. „Das ist wahr.“ Er machte sich wieder an die Arbeit, stapelte Teller und Becher in so kunstvollen Türmen wie in einem echten Pub. Ich konnte nicht umhin, seinen Blick für Details zu bewundern – und seinen Arsch. Dabei wunderte ich mich, wieso es mich nicht mehr störte, dass er ihn einsetzte, um seine Miete zu bezahlen. Vielleicht, weil er sich nicht dafür schämte. Er gab nicht vor etwas anderes zu sein, als er war. Diese Einstellung war attraktiv, selbst wenn seine Anstellung es nicht war.
„Du musst also denken, dass ich …“
„Scheiße.“
„Was?“ David zog die Augenbrauen hoch.
Ich deutete quer durch den Raum zu Richard, der aus seinem Büro kam. „Richard. Er hat die falsche Farbe. Rot. Steht ihm nicht so gut.“
David sah zu, wie er über das Set stürmte. „Er sieht ziemlich angepisst aus.“
„Weißt du, warum?“
Ich nahm an, er würde den vermissten Dildo erwähnen, aber er drehte sich weg und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Vielleicht, weil ich mich mit einem anderen Mann unterhalte?“
„Du bist nicht sicher? Dass du mit mir redest oder dass es ihn kümmert?“
Er schnitt eine Grimasse und verzog gewollt fröhlich das Gesicht zu einem breiten Grinsen, als er sich wieder zu mir wandte. Aber das Lächeln erreichte seine schönen blauen Augen nicht und es hielt ihn auch nicht davon ab, an seinem hellblauen Top zu ziehen, das seine Brust umspannte und farblich so schön zu den Augen passte. Er verfolgte Richards Bewegungen, als wartete er darauf, entdeckt zu werden. Ich konnte nicht sagen, ob er wollte, dass Richard aufsah und ihn bei mir bemerkte oder nicht.
Es tat weh, ihn zu beobachten. Er wollte der Grund für den Zorn seines Lovers sein. Es war klar, dass er wusste, dass dem nicht so war und ich setzte ein weiteres Häkchen unter die Überschrift Liste von Gründen, warum Richard ihn nicht verdient.
„So, was kommt als nächstes?“ Er riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf mich.
Offenbar lautete der Plan, Richard zu ignorieren, bis wir es nicht mehr vermeiden konnten.
„Hier.“ Ich reichte ihm eine kitschige Tontafel mit einem Leprechaun, der grinsend seinen Topf voller Gold betrachtete. „Da oben, denke ich.“ Ich deutete auf den Balken über unseren Köpfen. „Du wolltest mich etwas fragen?“
Er kletterte auf die wackelige Theke und sah herunter. „Die ist nicht sehr stabil.“
Ich griff hinauf zu seiner Taille, um ihn zu stützen und er grinste.
„Schon viel besser, Ian, danke.“
„Einfach auf den Balken. Ich glaube, da ist schon ein Nagel drin.“
„Ja, ist er.“ Er ließ sich allerdings eine Menge Zeit, um das Ding aufzuhängen. Meine Lippe war schon fast wund, weil ich sie in dem Versuch, mich zu konzentrieren und meine Hände auf seinen Hüften zu lassen, zwischen meine Zähne geklemmt hatte.
„Nicht meins“, murmelte ich zu meinem Schwanz. „Nicht anfassen, gib Ruhe.“
„Wie bitte?“ Er duckte sich, legte die Hände auf meine Schultern, um sich festzuhalten, und sprang herunter. Für einen Moment hatte ich den besten und den schlimmsten Anblick, den es geben konnte. Die Shorts, die in seinem Schritt spannten, seine kräftigen Oberschenkel, behaarte Beine und das alles direkt vor meiner Nase. Das war schlimm, denn bloß gucken würde bald nicht mehr genug sein, und ich hatte kein Recht, ihn anzufassen. Er war vergeben, sehr, sehr vergeben.
„Habe ich etwas gesagt, das dich verärgert hat?“ Er stützte sich auf mich, sprang und seine Stiefel ließen den Boden des Sets mit einem hörbaren Knall erzittern. Nun stand er vor mir. Stand einfach da mit beiden Händen auf meinen Schultern und sein Atem wärmte mein Gesicht. Der Geruch von Schweiß und Sex hüllte uns ein.
„Nein“, krächzte ich und der Bastard grinste.
Er grinste! Seine Lippen verzogen sich langsam und lasziv, er verlagerte das Gewicht und seine Hüften neigten sich zu mir. „Dann frage ich mich, was du nicht anfassen sollst?“
Oh verdammt.
„N… nichts.“
„Aber sicher. Und vergiss nicht: Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden, ja?“
Ich nickte. „Ich wette, du brichst viele.“
Sein Grinsen verschwand langsam, aber seine Hände blieben.
„Wir sollten fertig machen.“
Ich hätte schwören können, dass er kurz davor war, mein Gesicht zu berühren. Er kam ein klein wenig näher, sah aber über die Schulter und trat abrupt zurück. „Hey Ricky!“ Er winkte an mir vorbei. „Hast du ihn gefunden?“ Sein Grinsen war etwas zu breit, um natürlich zu sein. Richard knurrte nur und ging weiter, offenbar um die Kostümabteilung zu belästigen, denn er steuerte in deren Richtung.
Mein Zorn auf Richard, der immer noch die Aufmerksamkeit dieses Mannes hatte, nach dem ich mich – gar nicht so im Geheimen – verzehrte, bewirkte, dass sich meine körperliche Reaktion beruhigte. Ich ging zur Seite, sodass David die Flaschen erreichen konnte, die ich zuvor hatte arrangieren wollen. „Hast du heute kein Training?“, erkundigte ich mich.
Er sah herüber und hätte mich fast dabei ertappt, wie ich auf seinen Arsch starrte. Das künstliche Lächeln wich einem natürlicheren. „Nein. Die Rugby Saison ist zu Ende. Im Augenblick bin ich ausschließlich ein fickbarer Twink.“
„Großer Gott.“ Ich trat zurück, stolperte über eine Kiste mit Dekorationen und landete auf der anderen Seite auf meinem Hintern. Hätte er nicht schnell reagiert und meinen Arm gepackt, wäre ich von der Bühne gefallen.
„Bist du in Ordnung?“
„Ja.“
Er zog mich mit solcher Kraft hoch, dass ich praktisch in seinen Armen landete. Verdammt, roch er gut …
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